Die PC-Philosophie

Der Standard-PC ist mit Windows ausgerüstet, dem allseits bekannten Aufsatz auf MS-DOS. Allerdings benutzen die meisten Nutzer sogar nur den Windows-Aufsatz WinWord. Von dem aus werden Dokumente betrachtet, Programme gestartet, Bilder bearbeitet etc.

Ein richtiger Büro-PC-Benutzer ist man, wenn man eine Schwarz/weiß-A4-Textseite mit seinem 600dpi-Scanner auf 1200 dpi interpoliert in 24-Bit Farbtiefe einscannt, das entstandende 400 MB-File im JPEG-Format mit der satten Packrate 100:1 auf 4 MB komprimiert abspeichert, dieses dann in die Texterkennungssoftware einzuladen versucht, was aber nicht funktioniert, weil die nur Schwarz/weiß-BMP-Bilder akzeptiert, wenn man nach dem Starten einer Megabyte-schweren Bildbearbeitung, die eigentlich nur der Konvertiererei wegen installiert wurde, dieses Problem überwunden hat, und dann letztlich mit der Texterkennung eine Datei von vielleicht 4 KB erzeugt, welche auf der 26 GB-Partition allerdings 400 KB einnimmt. Es sei denn, man hat alle verfügbaren Laufwerksnamen von A-Z für 1 GB-Partitionen aufgeopfert, dann belegt die Datei lediglich 16 KB. Jetzt muß man nur noch überall herumerzählen, daß man mit Einsatz seiner überlegenen Computertechnik eine Grafik nahezu verlustfrei mit einem Faktor 100000:1 komprimiert hat.

Ein richtiger PC-Musiker ist man, wenn man eine verrauschte Gesangsaufnahme von einer CD über den Analogausgang mit 24 Bit und 96 kHz in stereo auf Festplatte digitalisiert, diese dann mit MPEG I/Layer 3 um den Faktor 10:1 ohne hörbare Verluste komprimiert, sich diese verzückt mit einem MPEG-Player mit Skins anhört und dann überall herumprahlt, daß man an seinem PC Spracherkennung und -ausgabe besitzt. Mindestens genauso clever ist man, wenn man sich von Internet-Seiten von Computermusikern nur die MP3-Dateien statt der MIDI- oder Trackerdateien herunterlädt, und sich dann über einen zu langsamen Server beschwert.

Ein richtiger PC-Verkäufer ist der, der bei der Frage nach einem Computer sofort aufzählen kann, wie hoch Festplattenkapazität, Speicher, Prozessortakt und Software-Versionsnummern in seinen angebotenen PCs sind. Wofür man die einsetzen kann, ist völlig nebensächlich. Auf Fragen nach alternativen Computersystemen oder wenigstens alternativen Betriebssystemen oder allerwenigstens alternativen Büro-Programmpaketen zuckt er mit der Schulter und sagt das wäre nicht kompatibel und auch viel komplizierter, und es benutzt ja keiner, und weiterentwickelt wird es wahrscheinlich sowieso nicht, und ob der Kunde nicht lieber doch die originalen Microsoft-Produkte haben möchte, weil die doch so prima aufeinander abgestimmt sind.

Ein richtiger PC-Experte (inkl. Verkäufer) ist der, der die Redewendungen "das geht nicht", "das gibt's doch überhaupt nicht", "davon habe ich nie gehört", "sind sie sicher?", "davon wüßte ich", "mit der neuen Version passiert das nicht" und "legen sie sich mal einen aktuellen Computer zu" zum Grundkonzept seiner Hilfestellungen erhoben hat. Daß zum Beispiel die senkrechte Einbauweise einem 3.5''-Diskettenlaufwerk schadet, glaubt einem ein Verkäufer selbst dann noch nicht, wenn man drei Laufwerke jeweils im Abstand von einem halben Jahr in seinem Desktopgehäuse verschlissen hat (erkennbar an Schleifspuren auf der Magnetscheibe der Disketten) und das letzte Laufwerk bei waagerechtem Einbau noch Jahre später problemlos funktioniert. Da in der PC-Industrie Probleme grundsätzlich nicht gelöst, sondern nur durch neue ersetzt werden, ist auch die Lösung für diesen Fall verblüffend: Erstens erklärt man Desktop-Gehäuse zu Auslaufmodellen und wirbt für die Vorteile eines Tower-Umbaus, nein besser gleich Neukauf. Zweitens man erklärt Disketten für altmodisch (mit denen, bzw. mit dem Arbeiten mit mehr als einer Diskette an einem Rechner stellt sich Windows sehr schwierig an, und beim Booten darf man die auf gar keinen Fall im Rechner lassen!) und propagiert den Siegeszug der CPUs, Festplatten, ZIP-Laufwerke und CD-Brenner.